Brandherde im Körper

Barbara Truyers leidet an Endometriose.

07-02-21
Endometriose: Interview mit Barbara Truyers

In einem persönlichen Gespräch berichtet sie von ihrer langen Leidensgeschichte – mit einem schönen Happy End.

7 Minuten
Sarah Buob
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Barbara Truyers, Endometriose-Betroffene mit Schweregrad VI

«Es ist mir ein Anliegen, auf Endometriose aufmerksam zu machen. Die Krankheit ist noch viel zu unbekannt und unerforscht. Das ist skandalös, wenn man bedenkt, wie viele Frauen davon betroffen sind. Ich möchte alle jungen Frauen dazu ermutigen, ihre Beschwerden ernst zu nehmen und offen darüber zu sprechen. Schmerzen sind ein Alarmzeichen des Körpers und zeigen auf, dass etwas nicht in Ordnung ist. Wartet nicht zu lange ab, sondern holt euch frühzeitig Hilfe in einem Zentrum, das auf Endometriose spezialisiert ist. Es gibt Mittel, die Krankheit zu kontrollieren.»

 

Starke Schmerzen während der Periode war ich seit jeher gewohnt und Schmerzmittel waren meine treuen Begleiter. Ich kannte es nicht anders, hatte auch keine direkten Vergleiche. Im Gespräch mit Freundinnen stellte ich zwar fest, dass sie ihre Regelblutung anders wahrnahmen als ich. Ich schlussfolgerte, dass ich wohl einfach schmerzempfindlicher war als sie.

 

Mit 20 sprach ich erstmals einen Gynäkologen auf meine Beschwerden an. Ich überbrückte damals vier bis fünf Tage pro Monat mit Medikamenten. Er reagierte gelassen und meinte, das sei halt einfach so. Auch zehn Jahre später – ich war inzwischen von Belgien in die Schweiz gezogen – war man ratlos, als ich eines Nachts mit unkontrollierbaren Schmerzen in der Notaufnahme landete. Man checkte mich von Kopf bis Fuss durch, konnte aber keine Ursache finden. Aufgrund meiner hohen Herzfrequenz vermutete man das Problem beim Herz und schickte mich mit einem 48-Stunden-Elektrokardiogramm nach Hause. Dieses förderte keine Erkenntnisse zutage: Mit dem Abklingen der Schmerzen kehrte mein Herzschlag zu seinem normalen Rhythmus zurück.

Aufgrund meiner hohen Herzfrequenz vermutete man das Problem beim Herz und schickte mich mit einem 48-Stunden-Elektrokardiogramm nach Hause.

Barbara Truyers, Endometriose-Betroffene

Monatlich wiederkehrende Schmerzen

Nach diesem Zwischenfall sprach ich erneut einen Gynäkologen auf die monatlich wiederkehrenden Schmerzen an. Er stellte die vermeintliche Diagnose Endometriose. Nach über zehn Jahren voller Schmerzen, Fehldiagnosen und grosser Verzweiflung erhielt mein Leiden erstmals einen Namen! Ich war 30 Jahre alt. Da sich die Krankheit nur über eine Bauchspiegelung – also einen operativen Eingriff – sicher diagnostizieren lässt und mir mein Arzt davon abriet, erhielt ich keine absolute Gewissheit. Ich vertraute auf seinen Rat und setzte vier Jahre lang auf die ununterbrochene Einnahme der Antibabypille. Mein Zustand stabilisierte sich. Dank der Pille konnten sich in meinem Körper keine neuen Entzündungsherde mehr ausbilden. Gleichzeitig wurde aber gegen die bestehenden nichts unternommen. Zusammen mit meinem aufkeimenden Kinderwunsch resultierte dies schliesslich in einem körperlichen Kollaps.

Nach über zehn Jahren voller Schmerzen, Fehldiagnosen und grosser Verzweiflung erhielt mein Leiden erstmals einen Namen! Ich war 30 Jahre alt.

Barbara Truyers, Endometriose-Betroffene

Anfang 2020 folgte die zweite Operation

Monatelang hatte ich erfolglos versucht, schwanger zu werden, und entschied mich zusammen mit meinem Mann, den Weg einer In-vitro-Fertilisation (IVF) zu gehen. Im Kinderwunschzentrum wusste man von meiner Erkrankung. Da sie aber nie offiziell bestätigt worden war und man nicht wusste, wie sehr die Endometrioseherde bereits verbreitet waren, wurde ich einer regulären Hormontherapie unterzogen. Das Ergebnis davon war, dass sich die Verwachsungen um Blase, Darm und Niere leider so stark ausbreiteten, dass die Organe nicht mehr imstande waren, ihre Funktionen richtig zu erfüllen. Ich musste notfallmässig operiert werden und kam nur sehr langsam wieder auf die Beine. Obwohl man grossflächig Verwachsungen entfernt hatte, landete ich ein Jahr später erneut im Spital. Neue Verwachsungen hatten meinen Harnleiter blockiert. Anfang 2020 folgte die zweite Operation, dieses Mal unter der Leitung von Dr. Kostov am See-Spital.

 

Inzwischen geht es mir gut. Ich wagte nach dem Eingriff einen weiteren Schritt in Richtung Kinderwunsch und liess mir einen Embryo, den man in der IVF-Behandlung gewonnen hatte, in die Gebärmutter übertragen. Mit Erfolg! Ich bin schwanger und freue mich riesig. Mein Körper erhält mit der Schwangerschaft eine Ruhepause. Was danach kommt, werden wir sehen. Trotz meiner langen Leidensgeschichte fühle ich mich privilegiert. Nicht allen von Endometrios Betroffenen geht es so gut wie mir. Ich hatte Glück im Unglück.

Dr. Plamen Kostov während einer laparoskopischen Endometriose Operation.

Krankheitsbild

Der Name «Endometriose» stammt vom altgriechischen Wort «Endometrium» ab, dem medizinischen Begriff für «Gebärmutterschleimhaut». Bei der Endometriose handelt es sich um eine chronische Erkrankung, bei der sich auch ausserhalb der Gebärmutter Zellenherde von Gebärmutterschleimhaut ansiedeln. Meist kommen sie an den Eierstöcken, am Bauchfell, an der Blase oder im Darm vor. Während der Menstruation stösst der Körper die Gebärmutterschleimhaut ab. Blut und Schleimhaut können jedoch ausserhalb der Gebärmutter nicht abfliessen. Es kommt zu Entzündungsreaktionen oder Verwachsungen, die grosse Schmerzen und Komplikationen auslösen können.

 

Die Symptome der Endometriose sind unspezifisch und erstrecken sich von ausgeprägten Schmerzen während der Monatsblutung über chronische Unterbauchschmerzen bis hin zu Schmerzen beim Stuhlgang oder Geschlechtsverkehr. Da die Krankheit nur mittels einer Bauchspiegelung – also eines operativen Eingriffs – diagnostiziert werden kann, bleiben viele Fälle unentdeckt. Vom Auftreten der Symptome bis zur Diagnosestellung vergehen durchschnittlich 8 Jahre.

Es wird davon ausgegangen, dass jede zehnte Frau von Endometriose betroffen ist.

Dr. Plamen Kostov, Chefarzt Frauenklinik

Es wird davon ausgegangen, dass jede zehnte Frau von Endometriose betroffen ist. Der Schweregrad reicht von Stadium I (minimal) bis Stadium IV (schwer). Die Therapie richtet sich nach dem Schweregrad. Oft kann medikamentös mit einer Schmerz- und/oder Hormontherapie geholfen werden. Bei schwereren Fällen ist eine Operation, bei der die Endometrioseherde entfernt werden, oft unausweichlich. Eine Operation lindert nicht nur die Schmerzen, sondern beeinflusst auch die Fruchtbarkeit.

Verbindung zu den Leistungen vom See-Spital

Unsere Frauenklinik ist spezialisiert in der Diagnose und operativen Behandlung von Endometriose. Unter diesem Link finden Sie alle Kontakte und weitere wichtige Informationen.

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